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Qualitätskriterien für Produkttexte: Standards oder eigene Regeln?

Lesezeit 7 mins | 24.09.2024 | Von: Adela Schneider

 

 

Die sprachliche Qualität von Produktbeschreibungen im E-Commerce ist ein wesentlicher Faktor für den professionellen Auftritt eines Online-Shops. Rechtschreibung, Grammatik und Stil müssen auf höchstem Niveau sein, um Vertrauen bei den Kunden zu schaffen und die Lesbarkeit zu gewährleisten.

Doch welche Standards sollten dabei beachtet werden? Gibt es verbindliche Regeln für die sprachliche Gestaltung, oder bleibt Raum für individuelle Anpassungen?

1. Standards in der Suchmaschinenoptimierung

Im E-Commerce ist SEO ein unerlässlicher Bestandteil jeder Produktbeschreibung, da es die Sichtbarkeit auf Google (und anderen Suchmaschinen) erhöht. Für SEO gibt es eine Reihe Standards, die für die Onsite-Optimierung gelten. Sie sind zwar nicht immer eindeutig und auf Dauer festgelegt, sollten aber für eine erfolgreiche Auffindbarkeit eingehalten werden.

Integration von Keywords

Die sinnvolle Integration von Keywords betrifft vor allem das Zusammenspiel von Hauptkeywords und Nebenkeywords.  Eine Beschreibung mit dem Hauptkeyword Sneaker: „Stylische Sneaker aus Leder, perfekt für den Alltag. Ideal für Freizeit und Sport.“ Sie könnte um SEO-relevante Nebenkeywords wie „Herren-Sneaker“ oder „bequeme Freizeitschuhe“ erweitert werden.
Die Auswahl der Keywords wie auch die Platzierungen im Text und SEO-Elementen folgt bestimmten Regeln, die eine gewisse Varianz zulassen. Man kann sie aber nicht völlig ignorieren, wenn man eine gute Platzierung erhalten will. 

Aufbau von SEO Textelementen

Hier sind die Title-Tags und Meta-Tag Descriptions zwei der wichtigsten SEO-Elemente, die direkt das Ranking einer Webseite in Suchmaschinen beeinflussen. Sie haben jeweils spezifische Standards, die von den meisten SEO-Experten empfohlen werden, um die Sichtbarkeit in den Suchergebnissen zu optimieren. So ist etwa die Länge bei beiden Elementen festgelegt und beispielsweise auch, dass bei Title-Tags das Hauptkeyword möglichst am Anfang stehen soll. Auch hier gilt:  Ignorieren von Regeln kann mit schlechten Platzierungen bestraft werden.  

Fazit SEO Standards: Unbedingt einhalten und das tun, was die SEO-Experten sagen!

2. Standards bei der Rechtschreibung

Für diesen Bereich besteht wohl die eindeutige Übereinstimmung, dass Regeln hier befolgt werden müssen: Rechtschreib- und Grammatikfehler sind in Produkttexten nicht akzeptabel, nur wirklich fehlerfreie Texte vermitteln Vertrauenswürdigkeit und Professionalität. Bei Rechtschreibung ist weniger die Akzeptanz von Standards das Problem, sondern eher die in Teilen fehlenden und diversen Richtlinien

Amtliche Regelungen nicht für alle Sprachen

Es gibt einige Instanzen, die die amtliche Rechtschreibung in unterschiedlichen Ländern die korrekte Schreibweise reglementieren. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz ist das z.B. der gemeinsame "Rat für deutsche Rechtschreibung". Er hat unter anderem die Aufgabe, die Rechtschreibung festzulegen und das amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung herauszugeben. Dabei handelt es sich nicht um den Duden, das bekannteste Nachschlagwerk für Rechtschreibung und Grammatik der deutschen Sprache – der eine Interpretation des amtlichen Regelwerks darstellt. 

Wichtig: Die amtlichen Regeln gelten für Behörden und Schulen – es gibt keine Vorschriften für andere Texte!

Während es beispielsweise für die spanische ("Real Academia Espanol" RAE, gültig für fast den gesamten spanischsprachigen Raum) und die russische Sprache staatliche Gremien gibt, die die Rechtschreibung verbindlich festlegen, fehlen sie in den USA oder in Großbritannien

Standardwörterbücher: Gute Leitlinien

In allen Sprachen gibt es bekannte Wörterbücher, auf die in Rechtschreib- und Grammatikfragen verwiesen wird, wie etwa der Duden der Petit RobertMerriam-Webster oder das Oxford Dictionary of English. Sie stellen Übereinkünfte dar oder Empfehlungen, sind aber nicht an sich verbindlich. 

Als Annäherung an einen Standard sind sie dennoch gut einzusetzen, zumindest für die eindeutigen Fälle. Falls es amtliche Regeln gibt, sind sie hier genauso verzeichnet wie übliche, d.h. verbreitete Schreibweisen. 

Einheitlichkeit wichtiger als Regelkonformität 

Da aber Sprache sich ständig verändert oder unterschiedlichen Ansprüchen genügen muss, gibt es sehr viele Fälle, wo diese Wörterbücher mehrere Schreibweisen darlegen oder nur Empfehlungen aussprechen. Für diese Fälle ist es notwendig, sich zu überlegen, wie man die Empfehlungen umsetzt und das auch in etwa einem Style Guide festzuhalten. Die Einheitlichkeit ist ebenso wie die Korrektheit ein wichtiger Ausweis der Sorgfalt und Professionalität. 

In einigen Fällen kann es sogar sinnvoll sein, sich nicht an die Standardvorgaben der Wörterbücher zu halten, wenn andere Anforderungen hier wichtiger sind.   

Beispiel: Regeln für Zusammenschreibung
Lange zusammengesetzte Wörter sind im Deutschen üblich, können aber die Lesbarkeit erschweren. Der Duden gibt zwar Regeln zur Zusammenschreibung solcher Begriffe, jedoch empfiehlt er Bindestriche nur in bestimmten Fällen.

In der Praxis können Bindestriche jedoch die Lesbarkeit erheblich verbessern, indem sie die Struktur eines langen Wortes aufbrechen.

  • dudenkonform: „Kundenzufriedenheitsanalyse“
  • Alternativen:  „Kunden-Zufriedenheits-Analyse“ oder „Kunden-Zufriedenheitsanalyse“

Durch den Einsatz von Bindestrichen wird hier der lange Begriff leichter lesbar und verständlich.

Entscheidend ist, dass die Texte insofern fehlerfrei sind, dass sie keine unbeabsichtigten Fehler enthalten, wie etwa vergessene Buchstaben oder Buchstabendreher oder gegen eindeutig in den Standardwerken verzeichneten Regeln verstoßen. Darüberhinaus gibt es einen nicht allzu kleinen Spielraum, in dem man sich nicht auf die Standardwerke allein verlassen kann, sei es, dass sie keine Regelung für bestimmte Fälle haben oder ein Regelverstoß für den Produkttext zuträglich sein kann.
Für diesen Spielraum ist es unabdingbar, dass man hierfür eigene bindende Vorschriften etabliert, um die Einheitlichkeit zu regeln.

Fazit Rechtschreibung: Eindeutige Standards prüfen und Spielräume mit eigenen Anpassungen ergänzen

3. Standards für Stil/ Lesbarkeit

Verbindliche Regeln für Lesbarkeit und Stil – gibt es sie?  

Im Bereich der Lesbarkeit und des Stils gibt es keine universellen, verbindlichen Regeln, die strikt befolgt werden müssen. Lesbarkeit und Stil sind stark kontextabhängig. Stilvorgaben können von Unternehmen, Redaktionen oder Plattformen festgelegt werden, oft im Rahmen von Styleguides, die die gewünschte Tonalität und Ausdrucksweise definieren. Diese Vorgaben dienen der Einheitlichkeit und der Wiedererkennung der Marke. 

Versuche der Standardisierung  

Trotz der fehlenden Verbindlichkeit gibt es etablierte Empfehlungen und Standards, die oft zur Orientierung genutzt werden. Die Lesbarkeitsformel von Flesch (Flesch-Reading-Ease) ist beispielsweise ein verbreitetes Werkzeug zur Messung der Lesbarkeit von Texten, insbesondere im englischsprachigen Raum.  Auch für andere Sprachen gibt es ähnliche Metriken, die auf Faktoren wie Satzlänge, Wortlänge und Komplexität der Grammatik basieren (wie z.B. die Amstad- oder die Lix-Formel oder für mehrere europäische Sprachen).

Ebenfalls häufig genannt werden Empfehlungen, kurze und klare Sätze zu verwenden, auf Fachjargon zu verzichten und eine aktive Sprache gegenüber der passiven zu bevorzugen.

AI basierte Korrektursoftware: Die Lösung für Qualitätsstandards?

Heutige Software wie Grammarly, Duden-Mentor oder LanguageTool sind gute Werkzeuge um schnell und effizient Rechtschreib- und Grammatikfehler zu korrigieren. Diese Tools erkennen Fehler wie falsche Kommasetzung, Rechtschreibfehler oder Satzbauprobleme und bieten oft auch stilistische Verbesserungsvorschläge. 

Sie unterstützen vor allem bei der Umsetzung der Qualitätsstandards – die Entscheidung welche Standards gelten und welche nicht, bleibt in den Händen des Content Schreibers. 

Welche Einschränkungen haben diese Art von Software?

  • Gute Ergebnisse liefern sie häufig nur für einzelne Sprachen.
  • Ihre Qualitätsstandards sind in Teilen nicht transparent
  • Bei mehrdeutigen Schreibweisen haben einige feste Voreinstellungen, das bedeutet, dass man eine Schreibweise immer als Fehler angezeigt bekommt. Oder sie zeigen immer unterschiedliche Schreibweisen an – das ist häufig bei AI basierter Software. 
  • Oft liegen bei der Bewertung zu einfache Formeln zugrunde (Flesh-Index o.ä.)
  • Einheitlichkeit über eine Reihe von Texten hinweg mit mehreren Autoren kann mit ihnen nur schwer erzeugt werden.

Herausforderungen bei der Standardisierung von Lesbarkeit und Stil  

Die Standardisierung im Bereich Lesbarkeit und Stil birgt jedoch auch Herausforderungen. Was als „lesbar“ gilt, variiert je nach Zielgruppe, Branche und Medium. Ein wissenschaftlicher Text hat andere stilistische Anforderungen als ein Produkttext, und was für die eine Zielgruppe als ansprechend gilt, mag für eine andere als unangemessen oder schwer verständlich erscheinen.  Standardsetzungen stoßen hier an ihre Grenzen, da sie nicht flexibel genug sind, um allen Kontexten gerecht zu werden. 

Medien Style Guides 

Um den Herausforderungen der Standardisierung von Lesbarkeit und Stil zu begegnen, haben viele große Medienhäuser und Marken sogenannte Style Guides entwickelt, die klare Vorgaben für die Art und Weise machen, wie Texte verfasst und präsentiert werden sollen. Bekannte Beispiele sind das AP Stylebook, das Chicago Manual of Style oder der Guardian Style Guide. Diese Richtlinien legen fest, wie bestimmte sprachliche und stilistische Elemente behandelt werden sollen, beispielsweise die Ansprache des Lesers oder die Handhabung von Fremdwörtern. Solche Style Guides der Medienhäuser – ursprünglich für redaktionsinterne Nutzung konzipiert – sind in erster Linie im englischsprachigen Bereich als Nachschlagwerke etabliert. In vielen anderen Sprachen konnten sich solche Style Guides nicht als anerkannter Standard durchsetzen. 

Fazit Stil und Lesbarkeit: Eigene Leitlinien für Sprache und Stil formulieren!  

Standards dokumentieren: Style Guides und redaktionelle Handbücher

Wenn sich ein Content Team entscheidet, solche eigenen Leitlinien und Regeln zu entwickeln, müssen sie auch dokumentiert werden. Im E-Commerce sind es Style Guides oder redaktionelle Handbücher, in denen die einzelnen Entscheidungen für die Content Standards des Teams festgehalten werden: Das geht von den genauen SEO-Anweisungen über Tonalität und Sprachstil bis zu Rechtschreib-Standards. Sie regeln den Wortschatz und die bevorzugte Ausdrucksweise und Grammatik- und Rechtschreibkonventionen, verzeichnen Abkürzungen, legen die Verwendung von Zahlen fest und machen Vorschläge zum Satz, beispielsweise die Empfehlung, kurze und prägnante Sätze zu verwenden, um die Lesbarkeit zu fördern.

Sie sind ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung und helfen Produktbeschreibungen klar und konsistent zu gestalten. Sie sorgen dafür, dass die Texte den Markenwert widerspiegeln und für die Zielgruppe ansprechend sind.  Nur wenn Content Teams eine Vielzahl von Aspekten in solchen Dokumenten verzeichnen, können sie eine einheitliche Kommunikation zu gewährleisten.

Adela Schneider

Adelas Schwerpunkt bei AX Semantics ist die Konzeption des E-Learnings und die Entwicklung der didaktischen Grundlage von AX- Lehrmaterialien. Seit Jahren erforscht sie intensiv, was einen guten Text ausmacht und wie er entsteht – vor allem im professionellen Bereich. Zudem ist sie fasziniert von den Möglichkeiten und Grenzen generativer AI und denkt über die zukünftige Entwicklung des Schreibens im Kontext neuer Schreibtechnologien nach.